Jun
Natürlich merkt jeder von uns, dass die Zeit immer schneller vergeht, je älter man wird. Alles wird schneller, wir sind immer und überall erreichbar und wenn unser Smartphone plötzlich keine Lust mehr hat oder man bei einer Umstellung durch Telefongesellschaften nicht mehr ins Internet kann, fühlt man sich inzwischen wie von der Welt abgeschnitten.
Auch aktuelle Filme bzw. Serien bringen uns mit ihren schnellen Schnitten, schnellen Abfolgen, künstlichem Ruckeln und mehreren Kleinbildern in einem großen Gesamtbild nicht unbedingt zur Ruhe, da man permanent höllisch aufpassen muss, um nichts zu verpassen. Wir schauen uns zwar gern solche Dinge an, aber wenn wir uns etwas Ruhe und Gelassenheit inklusive filmischer Unterhaltung gönnen möchten, greifen wir immer wieder mal zu Machwerken aus guten alten Zeiten. Kameraschwenks laufen sehr viel entspannter ab, Verfolgungen werden nicht mit Ruckelpartien gleichgesetzt und auch die langsamen Schnitte entspringen sehr deutlich aus einer Zeit vor der MTV-Ästhetik mit „128 cuts per minute“.
Ich persönlich staune dann selber immer wieder, wie viel Ruhe man früher z.B. in eine Folge von „Auf Achse“ mit dem jungen Manfred Krug gepackt hat, denn für den stimmungsvollen Aufbau von Fernfahreratmosphäre werden auch mal 3 Minuten lang nur LKW-Fahrten durch die Landschaft gezeigt. Klar, LKW-Fahren ist an sich keine schnelle Sache, aber ich schätze mal, dass man heute aus Rücksicht auf die erforderlichen Werbepausen die Reisebilder enorm abkürzen würde. Damit ginge doch aber das Gefühl einer langen Fahrt verloren, nicht wahr?
Auch ein „James Bond“-Streifen mit einem jungen Sean Connery wirkt inzwischen nahezu entspannend auf mich. Selbst die Bösewichte sind, verglichen mit den modernen Ausführungen solcher Rollen, nicht so gruselig wie jetzt. Zudem hat die Brutalität bei den Kämpfen inzwischen ganz andere Dimensionen angenommen, die Waffen sind krasser und die technische Ausstattung ebenfalls … stundenlange Nahkämpfe wirken aber auch heute noch einschläfernd auf mich    Â
Bitte, versteht mich nicht falsch, ich werde auch weiterhin dem Genre Actionfilm treu bleiben, hoffe allerdings, dass die Filmindustrie vielleicht nicht mehr nur noch auf das groß inszenierte „KA-Wumm!“ achtet, sondern nebenbei auch eine interessante und wenigstens an manchen Stellen langsam erzählte Geschichte vorweisen kann.
Natürlich hat die Schnelligkeit nicht nur in realen Verfilmungen – insbesondere durch die 3D-Effekthascherei – ihren Platz erobert, sondern findet sich auch immer mehr in der Trickfilmindustrie wieder. Gestern haben wir uns „Die Monster Uni“ im Kino angesehen (wir waren vermutlich das einzige Pärchen ohne Kind im ganzen großen Saal         ). Es war zweifelsohne nette Unterhaltung, aber die Geschichte ist nicht mehr so gut und überraschungsreich wie noch beim ersten Teil „Die Monster AG„. Schade fand ich übrigens, dass die Leute immer noch nicht verinnerlicht haben, dass es sich lohnt, bei Pixar-Filmen bis zum bitteren Ende im Kinosaal zu bleiben. So haben die witzige Stelle ganz zum Schluß außer uns nur noch eine handvoll Familien gesehen – Pech für die Anderen!
Das Schlußwort gehört „Auf Achse“: noch mindestens 60 Folgen lang werde ich mir immer wieder mal etwas Entspannung beim Begleiten von Günther Willers und Franz Meersdonk gönnen – einfach, um ganz gemütlich andere Länder von meiner Couch aus zu bereisen und deren Abenteuer ohne Handy, Kreditkarten, Navi, Laptop oder Tablet usw. zu erleben  Â
30. Juni 2013 um 15:53
Ich habe genau die selbe Beobachtung gemacht… auch wenn ich ein bisschen jünger bin (aber das hole ich bei Filmen ja zu einem großen Teil mit Freuden nach). Deswegen habe ich mich um so mehr über „Side Effects“ gefreut. Anscheinend sind wir nicht die Einzigen, die auch ein mal in ruhe verharren wollen und die wissen, dass Spannung nicht durch einen Überfluss an Bildern und Handlungen entsteht.
Side Effects ist kein Meisterwerk, aber eine sehr schöne Entwicklung in der Erzählweise und sollte genau aus diesem Grund angeguckt werden – In der Hoffnung, dass sich andere Produzenten daran ein Beispiel nehmen.
30. Juni 2013 um 16:00
Lustig – ich hatte mir gerade „Der Zauberer von Oz“ geholt, den ich jetzt in aller Ruhe und Langsamkeit ansehen werde.
30. Juni 2013 um 23:30
So wahr! Erst kürzlich sah ich „Das Fenster zum Hof“ von Hitchcock wieder, einer meiner erklärten Lieblingsfilme des Meisters. Dabei ging mir durch den Kopf, wie langsam das Geschehen doch abläuft. Und wie diskret sich der Fotograf den Mord an der Frau zusammenreimt, die man zu keinem Zeitpunkt als Leiche sieht. Und doch packt einen das Grausen, wenn man sich vorstellt, wie der Mörder seine Frau wohl in der Kiste verpackt nach draußen schaffen lässt. Vorgezogene Vorhänge sind für die Fanasie viel fruchtbarer! Nichts mit Handy, das der Fotograf mal schnell benutzen könnte, um seine Freundin in der Wohnung des Mörders zu warnen.