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Manchmal hat man eben Lust darauf, etwas zu schreiben   ;0)

 
Web|log,  der;  -s,  <engl.>,  meist abgekürzt mit "Blog"
   
Digitales Tagebuch im Internet. Ein Weblog ist eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält. Es ist ein Medium zur Darstellung des eigenen Lebens und von Meinungen zu oftmals spezifischen Themengruppen. Weiter vertieft kann es auch sowohl dem Austausch von Informationen, Gedanken und Erfahrung als auch der Kommunikation dienen und ist insofern mit dem Internetforum sehr verwandt. Die Tätigkeit des Schreibens in einem Blog wird als "bloggen" bezeichnet.

Quelle: http://www.wikipedia.de    


 
2021 25.
Apr

Gleich vorweg: Stephanies Hang zum Essen hat glücklicherweise angehalten, aber ihre neu dazugewonnene Leidenschaft artet irgendwie immer mehr aus. Jeder, der sich im Zimmer befindet, wird des öfteren von ihr um Essen angebettelt … gefolgt von einem Hundeblick, dem sich wahrscheinlich so schnell niemand entziehen kann. Wir beschränken uns noch auf das Schnuppern …

… denn derzeit dürfen nur die Logopädinnen füttern. Aber ich glaube, dass wenn das Pflegepersonal einmal mit involviert ist, dann werden am Ende vielleicht mehr Personen schwach werden und ihrem süß-bettelnden Blicken erliegen – wetten?!? Und da sie jetzt auch schon seit zwei Tagen mit dem Kauen anfängt, wird sich ihr mögliches Repertoire an Leckerlies also noch erweitern.

Ja, ihr habt richtig gelesen! Die Mahlzeiten und Nachrichten an der Pinnwand steigerten sich von Tag zu Tag bis zu dem freudigen Ereignis:

Dienstag: Carsten war abends mit dabei, als sie Kartoffelstampf und als Nachtisch vier Löffel Erdbeer-Vanille-Marmelade verputzt hat.

Mittwoch: Ein Zettel am analogen Chatboard in Stephanies Zimmer:

Stephie hat 200g Kartoffel-Möhren-Püree gegessen.
Und sie hat einige kleine Schlucke Smoothie mit dem Strohhalm getrunken.

Donnerstag: Mittags eine weitere Info an der Pinnwand …

„Heute gab es 200g Obstsnack (püriert)“

… und abends war Carsten mit dabei, als sie sich eine Schüssel Griesbrei mit Erdbeer-Vanille-Marmelade und zum Abschluss noch einen viertel Becher Frühlingsquark einverleibte.

Freitag: An ihrem 200. Tag in der Rehaklinik dann die absolute Ãœberraschung … schon nach nur 10 Tagen Essen hat sie mit dem Kauen angefangen. An der Pinnwand stand für den Mittagsbesuch geschrieben:

Stephie hat heute einen halben Toast mit Nutella gegessen.
Die Zungenmotorik und das Kauen werden immer besser.“

Und abends nochmals eine Steigerung des Ganzen:

Stephie hatte zum Mittag großen Hunger, es gab 100g Kartoffelpüree und 100g Schokopudding.
Vorher haben wir das Kauen von Gnocchi mit Tomatensoße geübt.
5 Gnocchi hat sie gegessen, dann war es ihr zu anstrengend.“

Seid ihr jetzt genau so geplättet wie ich es war? Wir haben uns so dermaßen für sie gefreut … das Thema Essen scheint bei ihr nun wirklich angekommen zu sein. Man übt jetzt mit ihr, dass sie selbst ihren Arm nutzt, aber auch das ist ihr nach ein paar Versuchen viel zu anstrengend und sie hat dann einfach keine Lust mehr, weiter zu essen.

Als ich am Samstag ins Zimmer kam, wurde Stephanie mit stückiger Kartoffelsuppe und gekochten Möhren gefüttert.

Da die Logopädin kurz mal woanders hin musste, durfte ich auch schon mit einspringen und mit dem Kind ganz gewissenhaft das Kauen üben. Es ist wie es ist: das Kind (fr)isst mir (wieder mal) aus der Hand    ðŸ˜‰

Eine andere Rückkehr ins Kinderleben bewirken derzeit die ihr beigebrachten Lieder. Singen ist ein wichtiger Bestandteil für das Zurückfinden zum Sprechen und somit werden die guten, alten Erinnerungen an die Kindergartenzeit wieder rausgeholt: „Alle meine Entchen“, „Backe Backe Kuchen“ und „Bruder Jakob“. Auf meine Initiative hin, haben wir heute bei Amazon gleich mal drei CD-Schmankerl aus ihrer Kindheit bestellt: „Die Jahresuhr“ von Rolf Zuckowski, „Kinderlieder aus aller Welt“ von Gerhard Schöne und „Der Traumzauberbaum“ von Reinhard Lakomy … ich freu mich    ðŸ™‚    mal sehen, ob es bei Stephanie genau so ist. Doch keine Angst, auch modernes Liedgut wird durch das Pflegepersonal beigebracht: „Maria“ von Scooter (den Dööp-Dööp-Dööp-Dööp-Teil beherrscht sie nahezu perfekt) und „Atemlos (durch die Nacht)“ lassen sich bei ihr durchaus recht gut erkennen.

Und wie macht sich ihr Sprechen? Sie versucht sich schon seit längerem an zweisilbigen Wörtern und ihre derzeitigen Lieblingsworte sind Danke (4x pro Stunde), Carsten (7x pro Stunde) und Essen (gefühlte 30x pro Stunde) … hören sich aber aus ihrem Mund leider noch alle sehr ähnlich an: „HnnnnnHmmmmm“. Carsten hat mit ihr explizit mal das „O“ (Lippenstellung recht ok, aber da geht noch was) und das „S“ (hier streikt die Zunge noch zu sehr und sie versucht leider immer wieder den Laut beim Einatmen zu machen und nicht beim Ausatmen) geübt. Von mir hat sie die Sätze „Ich möchte essen“ und „Ich hab dich lieb“ bzw. „Ich dich auch“ gelernt und mit Andrea versucht sie sich per Video am Nachmachen von Tierstimmen – wie oft wir dieses fast 10-minütige Video schon angeguckt haben, weiß ich schon gar nicht mehr. Aber wer jemals kleine Kinder gehabt hat, weiß wovon ich rede, gell?

Wie angekündigt haben wir seit Montag die Verdopplung der Besuche an den Arbeitstagen (MO-FR) eingeführt und derzeit kommen wir ganz gut damit zurecht. Zum einen kann Carsten somit endlich auch mal wieder zu ihr ins Zimmer (MO, MI & FR) und ich habe an diesen Abenden ganz eigennützig mal Zeit für mich zum Lesen, für meine Bücher oder andere Dinge, die aufgrund der vorherigen täglichen Besuche etwas in den Hintergrund rücken mussten. Ich fahre nun alleine am Dienstag, Donnerstag und an den Wochenenden zu ihr – so können Carsten und ich Arbeitszeiten, Ãœberstundenkontingente und die eigene Freizeit recht gut in Einklang bringen, obwohl wir die Schlagzahl der Besuche außer an den Wochenenden (da bleibe ich 3-4 Stunden bei ihr) verdoppelt haben.

Hier noch ein paar Informationen für euch in Kurzform:

  • Ich habe mit Stephanie das Ritual „Hallo“, „Ciao“ und „Tschühüß“ eingeführt, Carsten konnte sie auf ein High-Five einspielen – alles natürlich noch sehr verbesserungswürdig und ausbaufähig.
  • Als Carsten am Montag von einem leckeren Döner geredet hat (auf den sie sich sehr freut!), machte er ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Mund wässrig und sie fing richtig dolle mit Sabbern an … vielleicht das nächste Ziel, auf das sie hinarbeitet    ðŸ˜‰    man braucht ja immer persönliche Ziele, die man ins Auge fasst, um sich weiter zu entwickeln    ðŸ™‚
  • Sie lässt sich mittlerweile an allen Körperstellen recht gut anfassen, ohne gleich zusammenzuzucken oder dagegen anzukämpfen und auch die linke Hand wird zunehmend unempfindlicher. Wenn sie jetzt im Rollstuhl sitzt, schlagen ihre Beine nicht mehr die ganze Zeit aus und treten nicht um sich – toll!
  • Ihre Geräuschempfindlichkeit hat ebenfalls nachgelassen. Wenn die Schranktür mal unerwartet zu laut zufällt oder etwas auf den Boden fällt, erschreckt sie sich nicht mehr ganz so heftig wie zuvor.
  • Am Montag konnten wir mit dem Rollstuhl raus und zufälligerweise waren wir auch gerade mit ihrem Würfelchen da … das Auto hat sie erkannt, den Namen aber nicht mehr.

  • Das Monitoring wurde diese Woche reduziert, sodass nur noch der Sauerstoffmesser an einem Zeh oder Finger verblieben ist. Alle anderen Sonden (Herzfrequenz etc.), die am Körper befestigt waren und für Kabelwirrwarr sorgten, sind nun Geschichte. Ein weiteres Stückchen Freiheit für sie.
  • Ich bin mal wieder Postkarten mit ihr durchgegangen und an einer Stelle war ich fies: diese war nämlich in Russisch geschrieben. Stephanie war wohl etwas verwirrt und hat sich anscheinend über sich selbst geärgert, dass sie das dort auf dem Papier nicht lesen konnte. Ich habe es ihr dann vorgelesen und hoffentlich hat sie es dabei auch verstanden. Sie hat zumindest so getan, als ob.
  • Auf dem Stehbrett bleibt es vorerst bei einer ca. 70 Grad-Aufrichtung, da dann der Kreislauf nach einer Zeitspanne von ca. 5-10 Minuten etwas in den Keller geht. Doch er erholt sich auch genau so schnell wieder, wenn sie in die Waagerechte zurückgeholt wird. Wahrscheinlich spielen dabei u.a. ihre Füße und das eigene Gewicht darauf eine große Rolle. Der linke Fuß richtet sich mittlerweile (aufgrund der letzten Botoxbehandlung) schon recht selbstständig auf das Stehen aus und bleibt nicht wie damals in der Schräglage (bildlich: wie ein Handkantenschlag). Die Physiotherapeuten freut es sehr! Und uns natürlich auch!
  • Die Orthese an der linken Hand mag sie weiterhin nicht sonderlich, wobei es sich eher auf das An- und Ablegen beschränkt, doch die Justierung der Finger und der Hand während des Anlegens durch die Ergotherapeutinnen lässt sie schon viel mehr ohne Kraft und Gegenwirken zu als es früher immer der Fall war. Auch hier sieht man weiterhin ein gutes Gelingen.

An diesem Wochenende habe ich ihr zwei Päckchen ihrer Freundinnen mitgebracht und zusammen mit ihr ausgepackt. Am Samstag eines aus Potsdam und heute sogar eines aus Australien. In letzterem war u.a. ein Bilby als Stofftier, welches sie sofort sehr innig ins Herz geschlossen hat und danach eigentlich nicht wieder aus der (rechten) Hand legen wollte. Warum ich euch das erzähle? Natürlich nicht, damit jetzt alle gefälligst irgendwelche Geschenke zusenden sollen, sondern weil Carsten und ich all denen mal unendlich dafür danken wollen, die durch ihre Anteilnahme, Briefe, Postkarten, Emails, Audio. & Videobotschaften, Pakete, Blogkommentare, Fazzebuck-Meldungen und sonstigen Grüßen immer an Stephanie denken und mit dazu beitragen, dass die Gesprächsthemen zwischen ihr und uns, ihren Besuchern, immer weiter ausgedehnt werden. Ich muss gestehen, ich kenne nicht einmal alle Leute, die mir derzeit bei Telegram und per Email Dinge zuschicken, persönlich – ich bin einfach total überwältigt! Das wollte ich mal loswerden.

Noch was am Rande berichtet: Ich habe mal einer Pflegerin aus dem Frühdienst, die Stephanie schon lange in ihr Herz geschlossen hat (wie eigentlich alle), den Tipp verraten, zu unserem Kind „Ich habe dich lieb“ zu sagen, denn darauf bekommen Carsten und ich immer ein „Ich dich auch“ als Antwort zu hören. Das hat nun offensichtlich auch bei ihr funktioniert. Als ich nachmittags bei Stephanie hockte, kam eine andere Pflegerin zu uns ins Zimmer. Wir haben uns über dies und jenes unterhalten und am Ende sagt sie zu Stephanie „Ich hab‘ dich lieb“    🙂    und natürlich kam die erwünschte Antwort auch bei ihr. Ich habe dann geschmunzelt und gefragt, ob sie diesen Spruch von ihrer Kollegin aus der Frühschicht erfahren hat, und so war es auch    🙂
Aber selbst wenn alle Stationsmitarbeiter dies zu Stephanie sagen würden, würde sie zu allen die gleiche Antwort geben – und zwar aus voller Ãœberzeugung. Ich habe mich nämlich bei meinem Kind erkundigt, ob sie alle dort lieb zu ihr sind, und habe als Antwort ein sehr überzeugtes „Ja“ zu hören bekommen    ðŸ™‚    ganz ehrlich, ich bin wirklich sehr sehr glücklich darüber!

Neuerdings mag Stephanie uns Besucher nicht mehr gehen lassen … es ist ein wenig so wie damals am frühen Morgen zu Kindergartenzeiten. Doch wenn jemand von der Station reinschneit, um ihr ihre Medikamente zu geben oder sie einmal anders zu positionieren, dann sind sogar Carsten und ich total abgeschrieben und werden mit Ciao und Lächeln ganz problemlos verabschiedet. Glaubt mir, DAS ist echt ein gutes Gefühl!

2 Antworten zu “Wie geht es Stephanie ? … Fazit der neunundzwanzigsten Woche”

  1. Karin sagt:

    Wie toll das alles ist !
    Darf ich aus Erfahrung was beisteuern ? Uli hat ja auch lange nicht gegessen und war runter auf 55 kg und sollte zunehmen . Am liebsten mochte er seine geliebten Chocoladechip-Cookies. Die hat er aus der Dose am Bett dann auch vom Personal erbeten. Leider mit dem Ergebnis, das er sehr schnell 30 kg zugenommen hatte und damit alles schwieriger wurde: Laufen, Physio, transfer in den Rollstuhl… und es war kaum möglich, wieder abzunehmen, weil er ja doch wenig Bewegung hatte ! Also ein klein bisschen aufpassen bei all der Begeisterung ! Leider ist das alles nicht so einfach !
    tut mir leid, das ich unke, aber bei uns war das leider so ! undaus der Begeisterung: er isst !!! Wurde ein „dickes“ Problem !
    Ich hoffe, ich nerve nicht!

  2. Anne sagt:

    Ehrlich gesagt, hatte ich diese Befürchtung von Karin auch schon und da sie zudem aus 1. Erfahrung spricht. Vielleicht ist es automatisch, wenn man sonst nicht soooo wahnsinnig viel für jemanden tun kann, bei dem man so schnelle Ergebnisse wie beim Essen sieht, dass man denjenigen wenigstens „füttern“ will, also immerhin etwas, das halbwegs funktioniert. Aber ich will mich auch den anderen Vorschreiberinnen anschließen (Daniela und Sara), ich bewundere auch immer Olga‘s unglaublich gestochene Ausdrucksweise, – absolut GENIAL!!!! – und wenn das alles endlich hoffentlich ein Happy End ergibt, kommt das Buch (und dann natürlich auch der Film!) dazu heraus, um anderen ähnlichen Fällen Mut zu machen!

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