Dez
Wir hoffen, ihr hattet eine genauso ruhige und schöne Weihnachtszeit wie wir. Zwar konnten uns die Kinder nicht besuchen (Andrea wĂ€re aus Ăsterreich nicht ohne 14-tĂ€gige QuarantĂ€ne raus und wieder rein gekommen) und andere Verwandte haben wir nicht in Deutschland. Dennoch hatten wir mit meiner Arbeitskollegin Stina vom 24. bis zum 26. unseren ersten Ăbernachtungsgast in der Residencia OLCA, der damit auch endlich mal das neue Besucherbett bzw. -zimmer einweihen konnte.
UrsprĂŒnglich kommt sie aus Frankreich und hat durch ihre Eltern komorische Wurzeln … zur Info: die Inselgruppe der Komoren liegt zwischen Ostafrika bzw. Mosambik und Madagaskar. Stina lebt zwar schon seit mehreren Jahren in Deutschland und seit Anfang 2020 in Hamburg, aber wie wollten ihr ĂŒber die Weihnachtstage noch so manchen kulturellen Einfluss in praktischer AusfĂŒhrung nĂ€her bringen. So unter anderem den deutschen Weihnachtsfilm „Drei HaselnĂŒsse fĂŒr Aschenbrödel“, den ungeschlagenen Weihnachtsfilm der OLCAs „Stirb langsam“, lecker Kartoffelsalat mit WĂŒrstchen zu Heiligabend, Ente mit KlöĂe & Rotkohl am 1. Weihnachtstag, Dresdner Christstollen, das Zelebrieren des stundenlangen Geschenkeauspackens bei den OLCAs und die ganzjĂ€hrig fĂŒr nahezu jeden Deutschen liebste Fleischvariante auf Brötchen namens Mett bzw. Hackepeter sowie den durchaus gewöhnungsbedĂŒrftigen Brotaufstrich Griebenschmalz. Die Zeit zu Dritt verging mit Kochen, Probieren, Essen, Quatschen und einem kulturellen Austausch in Deutsch, Russisch, Englisch und Französisch ĂŒber das Leben in Deutschland, der Ukraine, in Frankreich und auf den Komoren wie im Flug – es bleibt fĂŒr uns neben unserem Umzug in den Norden und die tolle Wohnung in Wentorf als ein weiteres Highlight im eigentlich durch Corona sehr gebrandmarkten Jahr 2020 haften.
NatĂŒrlich bekam Stephanie auch diese Woche jeden Tag ihren einstĂŒndigen Besuch von mir (Carsten wartete derweil drauĂen im Auto oder ging mit Stina durch den angrenzenden Wald spazieren), aber wĂ€hrend der Weihnachtszeit wird eben auch in einer Rehaklinik das tĂ€gliche Gewusel auf ein Minimum heruntergefahren. Demnach wurde wenig Neues ausprobiert und auch fĂŒr GesprĂ€che mit dem reduzierten Pflege- und Ărztepersonal sowie mit den Therapeuten traf ich eben nicht immer jemanden an. Deshalb gibt es eben nur wenig von unserer Kleinen zu berichten, aber trotzdem waren durchaus sehr schöne Neuigkeiten mit dabei:
- Sie hat immer wieder mal in meinem Beisein die Augen aufgemacht und auch das Ărzte- und Pflegepersonal melden, dass es jetzt hĂ€ufiger passiert.
- Die Medikamente Clonidin und Frisium (beides Epilepsiemittel) sind nun vollstÀndig abgesetzt und Valproat (ebenfalls ein Antikonvulsivum) wird weiterhin schrittweise schnellstmöglich minimiert. Doch aufgrund der damit reduzierten Dosierungen muss sich Stephanies Kreislauf wohl erst einmal wieder etwas besser einschwingen, denn sie braucht z.B. beim Entblocken jetzt schon nach 20 min statt der vorher möglichen 30 min eine Verschnaufpause.
- Der bislang per Spritze verabreichte BlutverdĂŒnner wurde nun gegen eine Zugabe ĂŒber die Sonde getauscht, damit sich endlich auch mal die durch die Einstichstellen verursachten blauen Flecken an ihren Oberschenkel endlich verblassen können.
- Aus den 11 Stunden Feuchte Nase sind jetzt schon tÀglich 12 Stunden geworden.
- Mein Vorlesen aus euren Zusendungen, ErinnerungsbĂŒchern und Briefen sowie aus Stephanies Gute-Nacht-Geschichten-Meteorologie-Buch und das Abspielen von Sprachdateien der Familie haben weiterhin eine sehr beruhigende Wirkung auf sie und senken die Herzfrequenz immer wieder schnell runter auf ca. 50 pro Minute.
- Anfang dieser Woche ist ihr neuer Rollstuhl geliefert, angepasst und ĂŒbergeben worden – er wird aber vorerst weiterhin nur zum aufrechten Sitzen genommen und ist eben noch nicht fĂŒr Ausflugsfahrten geplant:
Jetzt in der Weihnachtswoche ist dieses GefĂ€hrt vorerst noch eher ein schmĂŒckendes Utensil in ihrem Zimmer, denn man braucht immerhin ein paar Leute, um Stephanie vom Bett auf ihren „Thron“ zu hieven. Aber so wie ich heute aus dem Therapieplan fĂŒr Montag deuten konnte, wird er morgen sicherlich schon wieder genutzt.
Es gibt noch eine weitere, kleine VerĂ€nderung: Stephanie ist jetzt nicht mehr auf die einfachen Nachthemden aus dem Krankenhaus angewiesen, denn sie darf jetzt schon eigene T-Shirts tragen. Diese mĂŒssen zwar noch auf dem RĂŒcken aufgeschnitten werden, damit das An- und Ausziehen einfacher ist, aber es ist zumindest schon mal ein etwas weicherer Stoff und dazu sicherlich auch noch ein vertrauteres GefĂŒhl auf der Haut. Ăbrigens, fĂŒr das Sitzen im Rollstuhl hat man ein paar T-Shirts heil gelassen, damit sie nicht mit dem nackten RĂŒcken auf der kalten Lehne landet. Ihr seht, man bewegt sich auch hier wieder mit kleinen Schritten in Richtung eines normalen, gewöhnlichen Lebens.
Wie schon gesagt, in der Feiertagszeit hat also auch Stephanie eine kleine Verschnaufpause. Jetzt kann sie das, was sie bislang erreicht hat, weiter verfestigen und fĂŒr sich mehr ausbauen. Denn schon bald folgen bei ihr wieder Tage, die mit vielen Therapien und Terminen, weiteren Umstellungen der Medikation und ganz viel Arbeit auf ihrem Weg zum Alltag, welcher fĂŒr die meisten von uns so normal und selbstverstĂ€ndlich ist, gespickt sind. Aber so wie wir sie alle kennen, wird sie auf diesem Pfad bleiben, denn sie möchte ganz gewiss ihre EigenstĂ€ndigkeit wieder haben. Und wir alle hoffen natĂŒrlich, dass wir das nĂ€chste Weihnachtsfest nicht nur mit einem lieben Gast, sondern dazu noch wieder mit unseren beiden MĂ€dels feiern können đ
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