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Montag, 27. Juli
An der Brust von Julia

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Die ursprüngliche Planung für diesen Tag beinhaltete eine anstrengende Wanderung auf den Monte Brione, des-
wegen verzichteten wir Erwachsenen auf die zusätzliche sportliche Betätigung - sprich, der Lauf um den See fiel
aus. Nach dem Frühstück hörte Olga ein seltsames Gekreische aus dem Kinderzimmer und eilte da hin, um
nachzusehen was los war. Die Kinder haben an der Wand über Stephanies Bett einen Skorpion entdeckt! Ok,
ein ganz ausgewachsener war es nun wirklich nicht, auch "klein" konnte man nur mit viel Fantasie zu ihm sagen.
Der Begriff "winzig" würde seine körperlichen Eigenschaften wohl mit Abstand am treffendsten beschreiben. Mit
der Hilfe eines Papierblatts beförderte Olga das Minitierchen durch das offene Fenster zurück in die Natur. Und
gerade dieser Blick durchs Fenster nach Draußen verriet ihr auch, dass sich das Wetter für eine Bergwanderung
eigentlich nicht wirklich eignet, denn der Himmel war recht stark bewölkt. So griffen wir auf Plan B zurück und
bereiteten uns auf eine Verona-Sightseeingtour vor.

 
Nach ca. 1 Stunde Autofahrt erreichten wir die Innenstadt und in einem Park-
haus direkt in der Nähe der weltberühmten "Arena von Verona" fanden wir ei-
nen Parkplatz für nur 2 Euro je Stunde - für eine solche Touristengegend ein
wahres Schnäppchen. Das Parkhaus war allerdings recht voll und wir mussten
unseren Wagen in der einzigen zu findenden Parklücke rückwärts einparken
und mit der Fahrertür zur Wand abstellen. So bliebt Carsten am Ende nichts
anderes übrig, als über die Beifahrerseite auszusteigen ... warum   *quetsch*
haben die neuen Autos   *uff*   alle nur diese massive Mittelkonsole   *autsch*

 
Dank der ausführlichen Karte in unserem treuen Italienbegleiter, dem ADAC-Reiseführer "Gardasee - Brescia,
Verona, Trient", konnten wir uns nahezu mühelos in der Stadt orientieren. Daher schlenderten wir ganz gelassen
durch die Straßen und Gassen und durchstreiften die berühmtesten Stellen dieser Stadt, welche im Übrigen
auch zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört - Dresden ja seit diesem Sommer nicht mehr    ;o)

Bereits nach einigen Minuten standen wir vor der Are-
na Di Verona
. Sie ist mit einem Kampf- bzw. Bühnen-
platz von 74 mal 45 m immerhin das drittgrößte römi-
sche Theater mit einem oval geschlossenen Zuschau-
erraum und bietet heute Platz für 22000 Zuschauer
(zu Zeiten der Römer waren es noch 30000). Uns
blieb der Innenraum allerdings verborgen, da uns von

der Besichtigung dieser
historischen Stätte der Eintrittspreis von 4 Euro, eine ziemlich lange Warteschlan-
ge und das große Desinteresse der Kinder abhielten. So gingen wir nur von außen
an den beeindruckenden Mauern mit ihren zahlreichen Arkaden entlang, amüsier-
ten uns über die als Gladiatoren verkleideten Männer, welche sich gern gegen
etwas Entgelt als Fotomodell mit der historischen Kulisse im Hintergrund anbo-
ten, und liefen weiter durch die Innenstadt.

Wir waren bei dem Spaziergang von der Schönheit dieser Stadt überrascht, denn
das sogenannte Italien-Highlight Venedig fanden wir schon relativ enttäuschend
und erwarteten daher auch von Verona nicht zu viel. Aber die schmucken Fassa-
den
mit Stuckfiguren aller Art, kunstvollen Fresken an Hauswänden und liebevoll
gestaltete Vitrinen der Läden faszinierten uns alle. In Kürze erreichten wir den
Marktplatz Piazza delle Erbe, auf dem uns wieder ein geflügelter Löwe begegnete.
Von seiner hohen Säule schaute er auf das Gewusel des Platzes herab und rich-

tete seinen Blick auf das Geschehen an den Ständen mit allerlei Schnullifax für Touristen. Da es doch noch ein
recht warmer und sonniger Tag wurde, hatten die Händler große Sonnensegel über ihrem Hab und Gut aufge-
spannt. Wer bis jetzt nicht wusste wofür Verona hauptsächlich bekannt ist, wurde spätestens bei den Auslagen
aufgeklärt, dass sich hier fast alles nur um ein berühmtes junges Paar dreht: Romeo & Julia.

Auf dem Platz ließen sich neben dem bunten Treiben auch viele inte-
ressante Denkmäler und Statuen entdecken. So z.B. die Brunnenan-
lage Madonna Verona
, die seit dem 14. Jahrhundert ein Symbol der
Stadt ist. Mit dem aus römischen Masken zu ihren Füßen sprudelnden
Wasser sorgte sie für eine willkommene Erfrischung, denn die Wolken
blieben tatsächlich über dem weit entfernten Gardasee und bescherten
uns einen strahlenblauen Himmel mit entsprechendem Wärmeinschlag.
Und wenn man sich weiter umsah, so fiel der Blick immer wieder auf
wunderschöne Häuserfronten, die im Gegensatz zu Venedig fast wie
neu aussahen. Am nördlichen Teil des Platzes strahlt die barocke Fas-

sade des Palazzo Maffei in hellem weiß, wodurch das Himmelsblau im
Hintergrund noch mehr zur Geltung kam. Wir liefen weiter zum nächs-
ten bekannten Platz, der Piazza di Signori. Durch ein Tor gelangten wir
auf einen Friedhof, welcher für Olga definitiv zu den Schönsten zählt,
die sie bisher gesehen hat. Die Grabmonumente der Adelsfamilie della
Scala sind wirkliche Kunstwerke. Inzwischen hatten wir aber Durst be-
kommen und uns gelüstete es zudem nach einer essbaren Kleinigkeit.
Also ruhten wir uns kurz in einem kleinen Park auf der Piazza Indepen-
dezia
aus und fielen über den Inhalt unseres Rucksacks her.

Schon auf dem Weg zum Park fanden wir an einer Hauswand eine
Steinplatte mit dem Zitat aus "Romeo und Julia" von Shakespeare.
Also konnten wir eigentlich nicht mehr weit von der wohl berühmtesten
Sehenswürdigkeit dieser Stadt sein, dem Palazzo Capuleti. Und tat-
sächlich, am Ende der Straße war der Hauseingang zur Via Capello 23
kaum zu übersehen, denn von überall her strömten die Menschen in
den Hof zum berühmten Balkon. Die Wände des Eingangs waren über
und über mit Liebesschwüren in allen möglichen Sprachen beschrie-
ben, mit den Namen der Leute bekritzelt, welche mal hier waren, und
mit gemalten Herzen verunziert.

Im Hof standen die Besucher dicht an dicht, schauten sich nach allen
Seiten um und warteten geduldig, bis Julias Bronzestatue für die eige-
nen Bilder frei wurde. Anscheinend ein stetiges Ritual, denn man gab
sich nicht nur mit schnödem Danebenstehen zufrieden, sondern fasste
Julia zusätzlich an die rechte Brust und ihren Arm. Beides war mittler-
weile total blankpoliert. Angeblich soll das ja Glück bringen ... ob man
ihr das auch im richtigen Leben antun würde?

Wir stiegen die Treppe zu einer höher gelegenen
Terrasse hinauf, um von dort einen viel besseren
Blick auf den Balkon zu haben und ließen die Kin-
der ein Foto von uns schießen, auf dem wir uns
wie einst Romeo und Julia in den Armen liegen
und küssen
. Auf dem Rückweg zur Straße gelang

uns sogar noch ein ganz seltenes Bild: Julias Statue ohne Touris und vor allem ohne Grabscher. Olga tut sie
wirklich leid ...

 

Aber wie schrieb schon der Stern im Februar 2008 auf http://www.stern.de/reise/europa:
 

"Das Dornröschenschloss in Disneyland - nur Fassade. Der Canal Grande in
Las Vegas - künstlich. Und selbst Verona betrügt seine Touristen: Der Balkon
von "Romeo und Julia" hatte einst eine weniger romantische Verwendung. [...]
Der Balkon ist Betrug. Ebenso wie das Haus und der Innenhof. [...] Nur ein
kleiner Betrug, wenn man bedenkt, was Verona seinen Besuchern zumutet.
Denn das Haus, das heute in jedem Reiseführer Veronas als Haus der Julia
Erwähnung findet, war noch vor hundert Jahren ein Stall. Eine reiche Verone-
ser Familie hat hier nie gewohnt, geschweige denn Julia. Und dann die Sache
mit dem Balkon. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Verone-
ser es schlicht leid, den Menschen aus aller Welt den Umstand zu erklären,

dass es den berühmten Balkon nicht gibt. Einfacher schien die Lösung, ein recht hübsches Exemplar in einen
repräsentativen Hinterhof einzubauen. Kurzerhand wurde ein alter Sarkophag an die Fassade gezimmert, zu
dem nun Millionen begeisterte Besucher in jedem Jahr wie zu einer Reliquie pilgern."

 
Wie gut, dass wir diese Fakten noch nicht am Tag des Besuches wussten, denn der Zauber hatte irgendwie auch bei uns gewirkt ...

 
Den Rückweg zum Auto liefen wir am Ufer der Etsch entlang und genossen das Flair der alten Gemäuer und
Häuser, ohne immer wieder im Reiseführer deren Name und Bedeutung nachzuschlagen. So näherten wir uns

peu a peu dem Parkhaus. Insgesamt haben wir der Stadt am Ende lei-der nur 2 Stunden zukommen lassen, aber die Wärme und der aus-
drückliche Wunsch der Mädels auf der Rückfahrt noch das Einkaufs-
zentrum in Rovereto zu überfallen mögen als Entschuldigung ausrei-
chen. Ganz gewiss kratzten wir in dieser Zeit nur ganz leicht an der
Oberfläche dieses faszinierenden Ortes mit seiner äußerst lebendigen
Geschichte und Literatur, aber für uns war es ausreichend, um Vero-
na ins Herz zu schließen.

 
Der angesteuerte Einkaufstempel sah von der Straße sehr vielversprechend aus, aber als wir drinnen die Läden
unsicher machen wollten, stellten wir mit Schrecken fest, dass es am Ende nicht so viele waren, wie wir uns an-
hand der Werbeschilder vorgestellt hatten. Zuerst versorgten wir unsere knurrenden Mägen und wie üblich waren
wir für die italienische Zeitrechnung zu einer absolut untypischen Zeit hungrig, also mussten wir uns mit einigen
aufgewärmten Kleinigkeiten begnügen. Danach überfielen wir die Klamottenläden. Unsere Erwartungen wurden
leider recht schnell gedämpft. Offensichtlich kann man doch in Deutschland am preiswertesten zu neuen Klei-
dern aller Art kommen. Dazu kam dann noch die Frustration bei den Konfektionsgrößen! Der Unterschied zur
unserer Nummerierung ist erheblich, so hätten Andrea und Elli sich Hosen, Röcke & Co. in Größe 42 aussu-
chen müssen - normalerweise passen sie in 36, maximal 38. Bei Olga waren die Größenschilder noch schlim-
mer: sie sollte zwischen 48 und 50 wählen. Da kommt man sich bei deutscher Auffassung ernsthaft überfett vor!
Nichtsdestotrotz konnten die Kinder nach der kurzen Einkaufsrunde ein paar T-Shirts ihr Eigen nennen.

Den Anteil des gesparten Geldes investierten wir typischerweise mal wieder in Essen und füllten vor der Heim-
fahrt noch unsere Lebensmittelvorräte fürs Urlaubsheim im COOP-SUPERSTORE auf. Nach dem Essen verlief
der Rest des Abends recht unspektakulär mit Duschen und Lesen, aber die inzwischen nahezu unentbehrliche
Spielrunde wollte keiner von uns ausfallen lassen. Daher lösten wir erneut schwiege Todesfälle bei "Cluedo" und
logen uns gegenseitig beim "Popcorn" an, bevor wir den Kuschelfaktor unserer Kissen und Decken prüften.

 

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