Okt.
Hier noch die ausstehende Meinung der OLCAs, wie weit man eigentlich dem deutschen Volk Mitschuld an den Verbrechen des 2. Weltkrieges geben könnte bzw. warum am Ende niemand etwas davon gewußt haben möchte.
Natürlich sind Olga und ich schockiert über das, was wir im Rahmen von Führungen und Ausstellungen bei unseren diesjährigen KZ-Besuchen in Buchenwald, Auschwitz und Theresienstadt gesehen und gelernt haben, aber kann man gleich das „ganze deutsche Volk“ dafür verantwortlich machen ? Vor allem noch jetzt, mehr als 60 Jahre danach ? Und wie konnte es eigentlich so weit kommen ? Wir haben uns spätestens im Anschluß an jeder Besichtigung viel darüber unterhalten … nach Auschwitz sogar mit Polen.
Ein paar Dinge müssen aber bereits im Vorfeld mit in Betracht gezogen werden:
1.) Wir sprechen jetzt über ein äußerst komplexes, geschichtliches Ereignis, welches mittlerweile über Jahrzehnte bis in jedes Detail untersucht und analysiert worden ist, d.h. wir haben heute ein zusammengetragenes Wissen und globale Kenntnisse, die während des Krieges nur sehr wenigen bekannt gewesen sein dürfte. Zudem sprechen wir über eine Entwicklung, die sich mindestens von 1933 bis 1945, also über mehr als 12 Jahre hingezogen hat.
2.) Wir betrachten die Möglichkeiten der Informationseinholung zum Teil immer etwas geprägt aus heutiger Sicht … zur damaligen Zeit wußte man zum Teil nicht einmal was in der Nachbarstadt passiert ist – geschweige denn in Berlin oder gar im Ausland. Zudem wurden spätestens ab Mitte der 30er alle Medien zu Propagandazwecke mißbraucht und gaben somit nur eine sehr einseitige Sicht der Dinge wider. „Whistleblower“ hätten nicht mal den Hauch einer Chance gehabt, Tatsacheninformationen an das deutsche Volk durchzugeben, denn ein Internet gab es noch nicht, Fernsehen für alle galt ebenfalls noch als Zukunftsmusik, Radio wurde frühzeitig kontrolliert und auch Zeitungen standen recht schnell unter staatlicher Kontrolle. Offizielle Bekanntmachungen wurden damals noch mit Plakaten an stark frequentierten Orten, z.B. am Marktplatz, publiziert – heute fast gänzlich ausgestorben. Und der Vorwurf, daß man Hitlers Absichten in seinem Buch „Mein Kampf“ hätte nachlesen können, kann mit der Tatsache entkräftet werden, daß Bücher nicht in dem Maße wie wir es heute kennen verfügbar waren, geschweige denn beworben wurden.
3.) Die Deutschen der 20er-Jahre waren aufgrund der Weltwirtschaftskrise verzweifelt und sahen in Hitler einen Mann, der sie vor dem Verhungern rettete und ihnen Arbeit, Ausbildung, Wohlstand, Erholung (Stichwort KdF) und ein bis dato fast unbekanntes Gemeinschaftsgefühl (Vereine und Organisationen) nicht nur in Aussicht stellte, sondern auch wirklich geben konnte. Zudem dürfte der soziale Druck, daß man den 1. Weltkrieg nicht nur angezettelt, sondern auch noch verloren hat, ebenfalls dazu beigetragen haben, daß man jetzt wieder auf Erreichtes stolz sein wollte.
4.) Dies alles und die Tatsache, daß die Machtergreifung bzw. Herrschaft Hitlers größtenteils nur durch Unterdrückung, Einschüchterung, Lügen, Putsche, Verschleierungen und Falschmeldungen möglich wurden, sollte man immer berücksichtigen, wenn man geneigt ist, die Fragen nach dem Wieso und Warum zu stellen: Warum hat niemand etwas gegen die Gräueltaten an Juden unternommen ? Warum hat sich niemand gegen die Kriegshandlungen gewehrt ? Wieso konnte man es zulassen, dass Millionen Menschen vergast worden sind ? Wieso hat man die Nazis überhaupt so weit gewähren lassen ? usw.
Nun also ein Versuch, unsere Sicht der Dinge darzulegen. Wir glauben, daß die Euphorie der 30er-Jahre beim Volk ein kleines bißchen Betriebsblingheit aufkommen ließ, denn eine nicht ganz unerhebliche Anzahl von Zivilisten dürften sehr wohl über die schlimmen Zustände in den (Konzentrations-)Lagern Bescheid gewußt haben, denn es gab schließlich auch externe Angestellte in den Einrichtungen, es wurden von externen Firmen große Anlagen entwickelt bzw. in den Einrichtungen aufgebaut (z.B. Verbrennungsöfen mit damals sehr unüblicher Leistung) und umliegende Wirtschaftsbetriebe liehen sich in nicht gerade geringem Ausmaß Arbeiter für die eigene Produktion aus. Spätestens letzterer Gruppe hätte der miserable Zustand der Leiharbeiter auffallen müssen. Aber wie schon erwähnt, selbst wenn ein paar Bescheid gewußt haben, wie hätten sie ihr Wissen an das deutsche Volk weitergeben können ? Die Sowjets Amerikaner haben hier z.B. in Buchenwald einen in unseren Augen richtigen Schritt getan und führten die Einwohner Weimars nach der Befreiung quasi als Pflichtbesuch durch das Arbeitslager.
Zusammenfassend würden wir die damalige Situation des deutschen Volkes so beschreiben:
– der steile Aufschwung des Landes läßt das Volk euphorisiert und somit auch etwas betriebsblind werden
– der Unterdrückungs- und Überwachungsapparat der Nazis läßt das Volk vorsichtig und nicht hinterfragend werden
– die Propagandamaschinerie der Nazis läßt das Volk an die eigene Sache glauben („wir sind Gewinner“) und blendet mit einer einseitig negativen Berichterstattung („Der böse Jude“, „Kampf den Kritikern“)
– die Organisation in Vereinen und Gruppen, wie z.B. Hitlerjugend (HJ), Bund deutscher Mädchen (BDM), Kraft durch Freude (KdF) und natürlich der Wehrmacht vermittelt ein unschlagbares Gemeinschaftsgefühl, gibt gleichzeitig aber auch die unterschwellige Möglichkeit einer Gleichschaltung und frühen Beeinflussung bzw. Einimpfung von Ideologien
Fazit: Warum sollten also die Nachfolgegenerationen, zu deren auch wir uns zählen, weiterhin zur Verantwortung gezogen werden … eine Schuldigkeit besteht unserer Meinung nach nur in der Pflicht, soetwas nie wieder geschehen zu lassen. Und um das zu erreichen, helfen u.a. Besuche von Gedenkstätten bestimmt mehr, als nur blanke Theorie und das zeigen mit dem Finger auf DIE Deutschen. Was wir gesehen haben, hat uns wirklich erschrocken, bestürzt und betroffen gemacht – soetwas darf sich nie noch einmal wiederholen.
Wie seht ihr das ? Eure Kommentare sind jederzeit willkommen und werden keiner Zensur unterliegen.
Herzlichen Dank für euer Interesse an unserer Meinung,
Olga & Carsten
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