Jun
Zwischen dem 25.05.07 und 30.05.07 habe ich meine Verwandschaft in Pokotilovka oder wie der Ort jetzt in Ukrainisch heisst – Pokotylivka, meinem Heimatort besucht.
Ich bin immer noch am Sortieren der EindrĂĽcke, es ist alles irgendwie ziemlich kontrovers, was ich in den 5 Tagen erlebt und gesehen habe.
Das wichtigste Ziel meiner Reise war leider der Abschied von meinem Vater, welcher Hautkrebs hat. Ich habe GlĂĽck gehabt, dass mein Vater zu dieser Zeit noch am Leben war (und immer noch ist). Somit haben wir die Chance gehabt, täglich miteinander zu reden und das größte Missverständnis unseres Lebens zu beseitigen. Gute Nachricht – Carsten gehört jetzt auch zur Familie :0) Aber Uwe gehört nach wie vor ebenfalls dazu, ich musste auch fĂĽr meinen Ex paar SĂĽĂźigkeiten und einen Zettel mitbringen. Da unser Verhältnis wie Ihr wisst normal ist war das kein Problem.
Das Gesicht meines Vaters ist sehr entstellt, es ist schwer zu beschreiben, ich denke, das erspare ich Euch, aber geistig ist er noch absolut top, konnte zum jeden Thema passende Kommentare oder Vorschläge beisteuern, sein Gedächtnis ist ebenfalls absolut in Ordnung. Körperlich ist er allerdings sehr geschwächt, kann aber noch selber laufen, essen usw.
Ich bin sehr froh, dass ein menschliches Gedächtnis so selektiv ist, immer wenn ich an ihn denke, habe ich noch sein normals, gewohntes Gesicht vor meinem inneren Auge – ich denke, es ist auch gut so.
Meine Mutter pflegt ihn zu Hause, säubert zweimal täglich die Wunden und geht noch in die Schule, um zu unterrichten. Schule ist für sie eine willkommene Abwechselung, sie kommt unter die Leute, die Schüler haben Respekt vor ihr und sie verbringt nicht die gesamte Zeit mit einem Kranken, welcher auf Grund der Schmerzen natürlich sehr gereizt ist und öfters wegen Kleinigkeiten überreagiert. Sie meinte sie wird so lange als Lehrerin arbeiten, wie sie es noch körperlich und geistig kann, allein zu Hause zu sitzen ist einfach nicht ihre Lebensart.
Die Siedlung, in der ich groĂź geworden bin, ist aus meiner Sicht in einem ziemlich katastrophalen Zustand. Wasser gibt es nur zweimal täglich (zu unregelmäßigen Zeiten), trinken kann man es ja ohnehin nicht. Die StraĂźen haben kaum noch Asphalt, die Schlaglöcher sind riesig. MĂĽllentsorgung funktioniert nur auf diesem Wege: alles wird in groĂźen, offenen Metalkontainer von den Einwohnern gebracht und hin und wieder einfach angezĂĽndet – das wars. MĂĽlltrennung ist natĂĽrlich absolutes Fremdwort. Spielplätze sehen genau so aus wie zu meiner Kindheit. Ein GlĂĽck, dass man damals solide gebaut hat, denn Instandhaltung ist ebenfalls ein Fremdwort. Also sieht man die verrosteten Rutschen und kaputte Schaukeln, wo aber quasi nur noch ein Gestell steht.
Die Schule machte aber einen ordentlichen, sauberen Eindruck. Es sind sehr viele Grünpflanzen da, auch als Ampelpflanzen in den Fluren. Möbel sind alt, aber doch noch gut im Schuß. Ich wurde übrigens von allen meinen alten Lehrern wiedererkannt und alle sind sich einig, dass ich die Augen von meiner Mutter habe :0)
Am Sonntag sind meine Schwägerin (Walja), meine Nichte (Sveta) und ich in die 2-Millionen-Stadt Charkow gefahren. Das Stadtzentrum macht ebenfalls einen guten Eindruck: sie ist recht sauber, die Gebäude sind in einem guten, zumindest vorzeigbaren Zustand, die Parks sind gepflegt, doch am Stadtrand sieht es da schon etwas anders aus – viel Dreck auf den StraĂźen, wieder die Schalglöcher – es ist wie immer.
Meine Mutter und meine Freundinnen haben gemeint, dass sie das GefĂĽhl haben, ich sei nie weggewesen. Ich hatte nach ein paar Tagen ein ähnliches GefĂĽhl – es ist schon irgendwie eigenartig.
Ich habe mir paar Notizen während dieser Tage gemacht und natürlich einige Fotos, schauen wir mal, wie schnell dieser Bericht online ist ;0)
6. Juni 2007 um 08:12
Danke fĂĽr diesen Bericht – war in Gedanken sehr oft bei dir während der Woche.
Dass es ein eigenartiges GefĂĽhl war manchmal fĂĽr dich,das glaube ich !
GaG 🙂