Den Samstag haben Carsten und ich als Cabriotag auserkoren. Schon lange wollte ich mal nach Torgau fahren und nun passte das Wetter zur freien Osterzeit, weshalb wir einen Tagesausflug in die historische Kreisstadt mit seinen 20.000 Einwohnern an der Elbe planten.
Es gelang uns zwar nicht immer, direkt entlang der Elbe zu fahren, denn auf recht langen Abschnitten führte uns die Bundesstraße immer wieder vom Fluß weg und manche unserer Bemühungen, diese Art der Straßenführung mit einem Abbiegen zu überlisten, bescherte uns regelmäßig ein Sackgassenzeichen. Aber auch so war der Weg schön, die Straßen waren nicht überfüllt und die Umgebung entsprach voll der damaligen Vision von Helmut Kohl, der im Osten blühende Landschaften sah. Schade nur, dass der Zustand etlicher Häuser in vielen Dörfern, die wir passierten, nicht im Einklang mit dieser natürlichen Schönheit war.
Nach ca. 110 km kamen wir in Torgau an und stellten unseren Smartie auf einem Parkplatz direkt am Schloß Hartenfels ab. Wir standen nur ein paar Meter von dem Denkmal entfernt, der an die historische Begegnung der sowijetischen und amerikanischen Armeen im April 1945 erinnerte. Der Parkplatz war gebührenfrei und mit der Parkscheibe konnte man dort seinen Wagen 2 Stunden lang abstellen. Wir ließen uns von der kleinen Kneipe „Zum Zollhaus“ direkt gegenüber verführen und gönnten uns nebst einem Toilettengang eine Kleinigkeit zu Essen: Carsten nahm ein Bauernfrühstück, ich entschied mich für ein Omelett mit Waldpilzen. Am Ende haben wir für das Ganze plus ein Bier und eine große Cola inklusive Trinkgeld nur 17 EUR bezahlt – aufgrund der Nähe zum Schloß und des Denkmals hatten wir mit wesentlich höheren Preisen gerechnet. Das Essen war wirklich äußerst lecker und die Bedienung schnell und nett. Bloss ohne Bargeld wären wir ganz schön arm dran gewesen, denn EC-Karten spielen in dieser Gastwirtschaft als Zahlungsmittel keine Rolle.
Danach erkundeten wir mit einem Rundgang die Innenstadt. Natürlich stand ich auf dem Kopf der berühmten, von Faschisten gesprengten Brücke, wo die Aliierten aus Ost und West sich einst begegneten. Weitere Sehenswürdigkeit sind das Schloss Hartenfels, ein Aufstieg auf den Hausmannsturm (für 1 EUR pro Füßepaar, welche 165 Stufen auf sich nehmen wollen) und das Bestaunen der offenen Steinwendeltreppe im Schloßhof, die ich wirklich wundervoll fand. Übrigens, die Toilette für die Schloßbesucher war in einem Topzustand und ist erstaunlicherweise völlig kostenlos. Jede Menge Zeit haben wir dann am Bärengehege verbracht, die beiden Meister Petze fühlen sich dort offensichtlich recht wohl, aber da es so warm war, dösten sie entweder in eine schattigen Erdkuhle oder schlenderten ganz gemächtlich eine kleine Runde durch das Revier, um sich dann wieder zur Ruhe zu begeben.
Unser nächste Ziel war die Marienkirche, in welcher unter anderem der Grabstein von Katharina Bora, der Witwe von Martin Luther steht, denn sie ist in Torgau gestorben. Ein schönes, gotisches Gotteshaus, sehr schlicht gestaltet, in dem auch schon Luther selbst mal gepredigt hat. Wir waren die einzigen Besucher darin und konnten uns in Ruhe umsehen. Dabei staunten wir nicht schlecht über die Position der Orgel, denn diese ist an der Seite des Kirchnschiffs angebracht und einzelne Pfeifen ragen förmlich in den Raum hinein – ein sehr ungewohntes Bild.
Danach schlenderten wir mit einer (ich) bzw. zwei (Carsten) Kugeln Eis durch die kaum bevölkerte Fussgängerzone und erkannten an angebrachten Keramiktafeln, dass diese Stadt in der Vergangenheit wohl ein beliebtes Ziel für allerhand berühmte Persönlichkeiten war. Unter anderem weilten bereits Napoleon Bonaparte und Kaiser Alexander I von Russland hier. Ausserdem entdeckten wir einen 1685 gegründeten Spielwarenladen, der damit der älteste in ganz Deutschland ist.
Aber zwei Stunden waren bereits völlig ausreichend, um das Wichtigste in diesem Städtchen zu entdecken, deshalb sind wir völlig stress- und hetzefrei vor Ablauf der erlaubten Parkzeit an unserem Auto angekommen. Unser nächstes Ziel war die etwa 12 km von Torgau entfernte Stadt Annaburg, genauer gesagt der Ortsteil Prettin. Dort steht das Schloß Lichtenburg, welcher in den Nazijahren als KZ fungierte und in welchem auch Olga Benario eine zeitlang inhaftiert war. Das Schicksal dieser Frau hat mich, seit ich von ihr gehört habe, sehr fasziniert und interessiert, deshalb wollte ich diesen Ort schon immer mal besuchen. Da wir jedoch nicht einschätzen konnten, wie die im Schloß angebotenen Ausstellungen eingeordnet sind, zahlten wir bereitwillig 2 EUR pro Nase und fanden uns plötzlich in einem Heimatmuseum wieder. Aus verschiedenen Epochen waren Gegenstände zusammengetragen worden und sind nun mit einigen Kurzbeschreibungen erklärt. Allerdings erfuhren wir erst später, nachdem wir Kräutergeschichte, Details vom lokalen Weinbau und dessen Herstellung sowie die sozialistsche und feudalistische Geschichte des Ortes hinter uns hatten, daß es eigentlich keine richtige KZ-Gedenkstättenausstellung gibt. Wir konnten aber eine Freiluftausstellung über die KZ-Geschichte sowie den Gefängnisbunker besuchen, was wir auch taten. Der Bunker bedrückte mich sehr, denn draußen war ein warmer, sonniger Frühlingstag, aber drinnen ist es selbst unter diesen Umständen sehr kalt. Ich will gar nicht wissen, wie die Frauen, die dort auch im Winter eingesperrt waren, unter der Enge, Dunkelheit und der Kälte gelitten haben. Wir fanden unter anderem auch die Kammer, wo Olga selber eingeschlossen war. Jetzt hatte ich eine genaue Vorstellung von dem, worüber ich im Buch von Ruth Werner gelesen habe. Dabei ist das nur ein Bruchteil des Leidenswegs der mutigen Frau …
Erst die Sonne auf dem Nachhauseweg riss mich wieder aus der etwas betrübten Stimmung und als wir uns in Roitzschberg unweit von Meißen auf dem Rasen mit wilden Tulpen und reichlich blühenden Apfelbäumen der Streuobstwiesen zum Picknick niederließen, war ich wieder vollständig auf Erholung eingestellt. Wir kauten dann an den Gaben aus unserem Kühlrucksack und lauschten dem Summen der Bienen in den Apelblüten sowie einem redseligen „Gespräch“ der Schafe in der Nähe.
Eine Auswahl der Bilder von gestern gibt es hier.
Heute machte ich den ganzen lieben Tag kaum etwas anderes als völlig entspannt unter dem, von meinem lieben Mann aufgespannten, Sonnensegel auf der Strandterrasse ein Buch zu lesen und so wie es aussieht, wird mein morgiger Tag genau so ablaufen. 😀
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