Was fĂĽr ein Auf und Ab in den letzten Tagen! Erst zeigt Stephanie ĂĽber die Woche Riesenfortschritte beim Selbstatmen, am Samstag dann auf einmal ein kleiner RĂĽckschritt, aber heute konnte glĂĽcklicherweise schon wieder Entwarnung gegeben werden. Ergo: es ist alles OK und es gibt nix Schlimmes zu berichten – keine Sorge. Aber hier erst einmal die Einzelheiten dazu …
Wie letztes Mal berichtet, sollte diese Woche eine Ausdehnung der Zeiten zur Eigenatmung (Stichwort „Feuchte Nase“) vorgenommen werden, um sie ĂĽber kurz oder lang von der Beatmungsmaschine und somit letztendlich auch mal vom lästigen Tracheostoma wegzubekommen. Zum einen kann sie mit diesem kĂĽnstlichen Nebenausgang der Luftröhre nicht sprechen (eingeatmete Luft erreicht die Stimmbänder nicht), Geruchs- und Geschmackssinn können beeinträchtigt werden und natĂĽrlich gehen in der Regel auch gewisse Schluckbeschwerden einher (ist ja eine Art Fremdkörper). Ein Schritt in diese Richtung wäre also das selbstständige Atmen rund um die Uhr, was bei ihr erst wieder antrainiert werden muss. Letztes Wochenende war sie bei 15 Stunden „Feuchte Nase“ und man steigerte nun die Zeit auf 16, 18 und 20 Stunden. Am Donnerstag dann die Premiere, sie einmal 24 Stunden lang mit der „Feuchten Nase“ zu belassen und wie wir unsere Stephanie ja kennen, hatte sie das am Ende natĂĽrlich auch mit Bravour gemeistert. Ihre Vitalwerte und die Blutgaswerte am Freitagmorgen waren völlig in Ordnung und man wollte den Zustand dann jetzt auch so beibehalten. Am Samstagmittag fing mich dann eine Ă„rztin vom Wochenenddienst am Stationstresen ab und berichtete mir, dass die Blutgaswerte und der Sauerstoffgehalt in den AtemzĂĽgen an diesem Morgen eben nicht so gut waren, sodass man sie nun doch wieder einmal fĂĽr vier Stunden an die von ihr so gehasste Beatmungsmaschine angeschlossen hat.
Als Grund für diesen Rückschlag gab es zwei Erklärungsmöglichkeiten:
1.) Die Steigerung der Stunden bzw. die Umstellung auf 24/7 ist am Ende doch viel zu schnell vorgenommen worden. Daran haben wir aber von Anfang an nicht wirklich geglaubt.
2.) Man hatte am Tag davor angefangen, Stephanie das Medikament Gabapentin zu geben, welches die Nervenempfindlichkeit an den Extremitäten abmildern sollte, da sie schon seit Tagen recht abweisend auf BerĂĽhrungen an Armen und Händen reagiert hat. Dieses Präparat scheint sie nun aber so sehr eingelullt zu haben, dass durch eine geringere Muskelkontraktion im gesamten Körper eben auch die Atmung abflachte. Bei meinem Besuch am Freitagabend war ich schon sehr ĂĽber eine so schläfrige und erschöpfte Stephanie erstaunt, die sich sogar bereitwillig an allen Körperteilen anfassen lieĂź. Ich habe es gleich mal zum Schneiden ihrer Finger- und FuĂźnägel genutzt …

… das Krankenhauspersonal darf das nämlich nicht mehr durchfĂĽhren, da es heutzutage als Körperverletzung ausgelegt werden kann! Irgendwie verkehrte Welt, oder?
Jedenfalls hat sich die Rehaklinik aus heutiger Sicht völlig richtig und wie wir fĂĽr die zweite Möglichkeit entschieden und zunächst das neue Medikament deutlich reduziert … und siehe da, das Kind war heute schon wieder agiler und man kehrte nach den vorsorglichen vier Stunden der Beatmung jetzt erneut zur dauerhaften 24/7 „Feuchten Nase“ zurĂĽck. DrĂĽckt bitte mit uns die Daumen, das Stephanie endlich doch einmal diese lästige Maschine loswerden kann! Das Kind mochte es von Anfang (schon in der CharitĂ©) an nicht sonderlich, in ihrer Atmung fremdgesteuert zu werden.
FĂĽr das letztendliche Abnehmen des Tracheostomas muss sie allerdings noch ein wenig mehr als das oben Beschriebene tun. Die zweite Grundvoraussetzung dafĂĽr ist, dass sie auch wieder perfekt schluckt, denn erst wenn ihre Körperreaktionen und Reflexe in jeder Situation den Atemweg vom „Essensweg“ trennen können und sie eben auch eventuelle Fremdkörper durch Husten, Schlucken und WĂĽrgen entfernen kann, dann dĂĽrfte es endlich zum Entfernen des Schlauches im Hals kommen. Zwar strengt sich Stephanie bei den Therapien mit ihren Schluckbewegungen an und auch mit dem (Ab-)Husten sind die Pflegekräfte schon sehr zufrieden, aber sie schluckt eben leider noch nicht häufig genug.
In den anderen Bereichen bleibt alles wie bisher –> mit kleinen Schrittchen, voller Hoffnung und doch sehr zufriedenstellend:
- Ich darf sie bei meinen Besuchen nicht nur verbal betüdeln (berichten, vorlesen und Sprachnachrichten der Familie vorspielen), sondern sie auch mittels Massagen, Eincremen, Kämmen, Nägelschneiden und Verlagern nach Herzenslust bemuttern. Ihre Reaktionen in Form von Gegenwehr oder Steigerung der Herzfrequenz hält sich in Grenzen oder sind sogar nur von kurzer Dauer.
- Sie wird immer wacher und schlägt auch immer öfter die Augen auf. Allerdings weiterhin ohne Fokussierung oder größerer Reaktion. Ich habe einmal den „Spiegeltest“ gemacht, denn man sagt, dass ein Patient eher auf sein eigenes Spiegelbild reagiert als auf ein Foto oder sein GegenĂĽber selbst – doch ich bin mir nicht sicher, ob sie irgendwie darauf reagiert hat. DafĂĽr waren ihre Bewegungen zu unkoordiniert und zu kurz … ihre Pupillen wanderten nur etwas hin- und her.
- Wenn sie nun immer weiter aufwacht und die Augen länger geöffnet hält, will man eine spezielle Art von Sehtest durchführen, mit dem zu erkennen ist, ob Sinneswahrnehmungen durch die Augen letztendlich auch am Gehirn ankommen und wie viel davon dann auch verarbeitet wird. Derzeit sieht es für mich als Laien so aus, als wäre sie blind oder kann nichts fokussieren oder kann eben nichts so richtig erkennen.
- Die Dauer der angelegten Hand- und FuĂźorthesen steigert sich ebenfalls kontinuierlich, ohne dass sie sich stark dagegen wehrt. Allerdings „meckert“ sie weiterhin beim An- und Ablegen etwas rum, beruhigt sich aber auch genauso schnell wieder.
- Die Zeiten im Sitzbett (größtenteils aufgerichteter Oberkörper und etwas angewinkelte Beine) sowie im Rollstuhl (voll aufgerichteter Oberkörper und rechtwinklig aufgestellte Beine) scheint sie ebenfalls ohne große Unruhe zu meistern und vielleicht sogar zu mögen. Ist eben doch mal eine Abwechslung zu den drei Liegepositionen im Bett: mal auf dem Rücken, mal auf der rechten Seite, mal auf der linken Seite.
- Die Operationswunde durch das Verlegen des Katheter über die Bauchdecke ist sehr gut verheilt und mittlerweile wohl auch völlig reizfrei.
- Ihre Medikamente werden weiter in kleinen Schritten abgebaut und ggf. auch neu kombiniert, um für sie ein Gleichgewicht zwischen dem Aufwachen und ihrem Schmerzempfinden herzustellen. Zwar hätten alle sicherlich gerne schnell ein gänzlich unsediertes Kind, aber natürlich sollen ihr dadurch keine dauerhaften Schmerzen, z.B. durch den Spasmus, entstehen. Deshalb müssen wir eben weiterhin Geduld und viel Zeit mitbringen.
- Aus der PEJ- ist wieder eine PEG-Sonde geworden, d.h. die vor ein paar Wochen eingeführte und in der Lage korrigierte Magensonde ist nun wieder aus dem Zwölffingerdarm zurück an den Magenanfang gezogen worden.
- Die bisherigen EEG-Auswertungen zeigen glücklicherweise keine Anzeichen von Epilepsie, sodass zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden könnte, dass die noch in der Charité gezeigte Neigung zu dieser Funktionsstörung des Gehirns eventuell nicht bleibend gewesen sind.
Bei meinen fast täglichen Unterhaltungen mit dem Ärzte- und Pflegepersonal kann ich denen gelegentlich auch manchmal etwas außerhalb des Protokolls entlocken, was mir aber wiederum sehr große Hoffnung gibt oder ich darin definitiv unser Kind wiedererkenne.
Zum einen war da diese Aussage einer Schwester: „Sie macht sehr groĂźe Fortschritte, wir kennen hier ganz andere Fälle.“ – na, wenn DAS nicht Hoffnung gibt!!!
Und heute wurde von einer Therapeutin vorsichtig der Verdacht geäuĂźert, dass eventuell nicht (nur) Schmerz das Verhalten ihrer Ăśberempfindlichkeit erklären könnte, sondern ggf. eben auch eine gewisse Bockigkeit nach dem Motto „Hey, ich will das jetzt aber nicht.“ – ja, auch DAS hört sich definitiv nach meinem Kind an!!!

Es sieht also ganz so aus, dass zumindest dieser Teil ihrer Persönlichkeit, genauso wie das Bestreben, selber über sich bestimmen zu wollen, erhalten geblieben sind. Wenn ihr mich fragt, sind das keine schlechten Voraussetzungen, um sich zurück ins gewohnte Leben durchzuboxen. Ich bin voller Hoffnung, dass sie es mit unserer und eurer Unterstützung früher oder später so gut wie es geht schaffen wird.
Zum Abschluss möchte ich hiermit noch einmal darauf hinweisen, dass die hier von mir beschriebenen Dinge immer nur aus Sicht einer Mutter, einer Nichtmedizinerin und eines psychologischen Laien resultieren. So wie sich Carsten bei Filmen mit IT und Computern manchmal vor Lachen nicht halten kann oder ich bei Szenen mit Bezug zu meinen Wurzeln (z.B. russische & ukrainische Sprache, kyrillische Buchstaben, sowjetische Gepflogenheiten, slawische Eigenheiten) öfters mal die Stirn runzle, stelle ich mir auch so manchen Leser mit medizinischen oder psychologischen Kenntnissen vor, welcher an einigen Stellen lautstark mit einem „Was?!?!“ auf das von mir Niedergeschriebene reagieren könnte. Man sehe mir bzw. uns das nach … wir versuchen unser Bestes zu geben, um vom Experten (Ă„rzte & Pflege) ĂĽber den Laien mit gefährlichen Halbwissen (Carsten & ich) an euch AuĂźenstehende eine recht passende, ausreichende und schlĂĽssige Zusammenfassung zu geben. Anhand eurer RĂĽckmeldungen und Kommentare (diese bitte lieber hier im Blog als bei Fazzebuck) glauben wir schon, dass uns das in der Regel recht gut gelingt. Und wir berichten natĂĽrlich auch immer im Sinne des Kindes, d.h. hier werden wahrlich nicht alle Details, medizinische Daten oder Fotos auf Stephanies Weg zur Genesung preisgegeben. Aber letzteres dĂĽrfte sicherlich fĂĽr alle selbstverständlich sein …
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