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Kommentar:   

 
Manchmal hat man eben Lust darauf, etwas zu schreiben   ;0)

 
Web|log,  der;  -s,  <engl.>,  meist abgekürzt mit "Blog"
   
Digitales Tagebuch im Internet. Ein Weblog ist eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält. Es ist ein Medium zur Darstellung des eigenen Lebens und von Meinungen zu oftmals spezifischen Themengruppen. Weiter vertieft kann es auch sowohl dem Austausch von Informationen, Gedanken und Erfahrung als auch der Kommunikation dienen und ist insofern mit dem Internetforum sehr verwandt. Die Tätigkeit des Schreibens in einem Blog wird als "bloggen" bezeichnet.

Quelle: http://www.wikipedia.de    


 
2021 18.
Jul

So, jetzt kann ich endlich verbindlich über ihre Entlassung aus dem Krankenhaus sprechen, denn in dieser Woche wurde nun alles fix gemacht: Stephanie wird am 28. Juli von der Rehaklinik in eine Pflegeeinrichtung verlegt werden – die behandelnde Ärztin sah aufgrund der für die Begründung wichtigen Indexpunkte im Singer (weiterhin gleich-bleibend bei 13) und Barthel (0 Punkte) leider keine Chance, eine weitere Verlängerung bei der Krankenkasse zu erreichen. Doch als wir mit der Ärztin dieses entscheidende Gespräch am Mittwoch führten, sind Carsten und ich schon sehr viel gelassener an die Sache rangegangen, denn bereits seit Montag wussten wir, dass für Stephanie sowohl Ende Juli als auch Ende August ein freier Platz in der Pflegeeinrichtung zur Verfügung stehen würde. Damit war diese nicht ganz unerhebliche Unsicherheit vor dem Gespräch zum Glück schon längst aus dem Weg geräumt. Nun fällt ihr „Umzug“ zwar leider nicht in unsere eingereichte Urlaubszeit Ende August, aber damit können wir trotzdem ganz gut leben.

Ergo: nach 40 Tagen in der Charité in Berlin und bis dahin 296 Tagen in der Vamed-Klinik in Geesthacht, wird ihr neues Zuhause dann im von uns 40 km entfernten Lüneburg sein. Mal sehen, wie wir das mit den Besuchen während der Arbeitswoche und an den Wochenenden regeln werden – wir haben uns natürlich schon erste Gedanken gemacht. Leider wird bei ca. 45 min pro Fahrt für uns ein täglicher Besuch dann nicht mehr möglich sein, aber wir denken mal, dass wir insgesamt doch noch auf vier Tage pro Woche kommen werden: DI, DO, SA & SO. Doch dazu erst mehr, wenn es mal so weit ist. Anfangs werden wir sicherlich doch noch täglich hinfahren und während unseres Urlaubs sowieso …

Wenn wir die Verlegung als das erste Highlight dieser Woche verbuchen, dann wäre Nummer 2 auf jeden Fall der gestrige Besuch ihrer Freundin Laura aus Berlin:

Wie schon bei ihrem Vater hat Stephanie auch sie leider nicht auf Anhieb erkannt, als sie ins Zimmer trat, aber im Laufe des Besuches kamen ihr dann doch immer mehr Erinnerungen an die gemeinsame Zeit zurück. Zudem konnte sie sich an verschiedenste Dinge aus Lauras diversen Videos erinnern, die ich ihr immer wieder mal auf dem iPad vorgespielt habe. So zum Beispiel an den Namen ihres neuen Hundes und auch, dass dessen Vor-gänger traurigerweise kurz zuvor über die Regenbogenbrücke gegangen ist.

An sich ist das ja nichts besonderes, aber ihr müsst bei Stephanie immer im Hinterkopf behalten, dass ihr Kurz-zeitgedächtnis meist gehörige Aussetzer hat. Einmal kamen wir am frühen Abend zu Besuch und sie war zuvor offensichtlich mit jemandem vom Personal draußen im Park, denn sie hatte von dieser Person zwei Blumen ins Haar gesteckt bekommen … aber auf unsere Frage mit bzw. von wem, wusste sie leider keine Antwort. Oder auch bezüglich dessen, was sie immer so zum Frühstück isst, stimmen ihre mitunter sehr überzeugend ausgespro-chenen Antworten („Brot mit Marmelade“) in der Regel nicht mit den Aussagen des im Anschluss daran befragten Pflegepersonals überein („Weißbrot mit Kräuterquark“) – erst, wenn man dann mit ihr noch einmal darüber spricht, scheint sie sich wieder korrekt zu erinnern. Und unser Klassiker: „Wie macht die Katze ?“ beantwortet sie leider immer noch mit WUFF, aber am Freitag gab es schon die erste Entwicklung, denn die starb mit „Wu…“ ab und schob ein überzeugendes „Miau“ hinterher. Sie hat sich also sofort selbst beim Sprechen korrigiert – wir sehen das als einen weiteren sehr guten Anfang.

Und es ist auch nicht immer so schlecht um ihr (Kurzzeit-)Gedächtnis und ihren Erinnerungen bestellt, denn in manchen Gesprächen ruft sie bei uns immer wieder mal große Verwunderung hervor. Beim letzten Mal habe ich ja schon über die Penne Funghi geschrieben und auch diese Woche konnte sie das ein oder andere aus ihren Gehirnwindungen hervorkramen.

Beispiel 1: Carsten hat ihr von den Unwettern im Süden erzählt und für ihren Besuch aus Berlin und für das Wochen-ende gehofft, dass es dann eben nicht regnen möge, da sie ja immer wieder gerne mal im Rolli raus möchte. An diesem Besuchstag sah es gut dafür aus und die Prognosen sagten Sonnenschein voraus. Carstens „Aber du weißt ja, was ein Wetterbericht von heute für Sonntag wert ist, oder ?“ beantwortete sie wie schon damals während ihres Meteorologiestudiums mit „Ja, die Chancen stehen Fifty-Fifty.“ … das hat sie also im Gedächtnis behalten.

Beispiel 2: Ich habe mich mal mit ihr über die aktuell gespielten Lieder unterhalten (sie guckt ja immer nur den Sender „Deluxe Music“ im Fernsehen und ist somit ganz gut auf dem Laufenden) und Stephanie hört derzeit das Lied „Wellermann“ sehr gerne. Das Lied „Strip“ von Lena findet sie blöd und auch Mark Fosters aktuelle Single mag sie derzeit nicht so dolle. Und wie bei mir geht ihr mittlerweile diese ewige Wiederholung und Endlosschleife des Liedes von Pink und ihrer Tochter auf die Nerven. D.h. an sowas erinnert sie sich also schon wieder – großartig!

Doch zurück zu Laura – entschuldigt bitte meinen kleinen Ausflug in die Gedankenwelt des Kindes. Noch im Zimmer bekam Stephanie ein eingewickeltes Geschenk übergeben und meine Kleine fand mal wieder großen Gefallen daran, das Geschenkpapier zu zerreißen. Laura hat ein Erinnerungsbuch zusammengestellt, was die beiden im Nachhinein dann wohl auch noch gemeinsam durchgesehen und besprochen haben. Aber zunächst sind wir zu dritt in den Park zu unserer Lieblingsbank gegangen und nachdem ich sah, dass die beiden supergut miteinander zurechtkommen, habe ich mich verabschiedet und bin zu Carsten nach Hause gefahren. Sollten sie die Stunden doch ganz für sich haben und genießen. Laut Laura hatten sie eine sehr schöne Zeit und auch für Stephanie werden die Stunden zwischen 13:00 und 18:00 hoffentlich noch lange einen bleibenden Eindruck hinterlassen – Kurzzeit-gedächtnis hin oder her.

Noch einmal zurück zur Aussage, dass Stephanie sehr gerne draußen ist. Das hat zwei Gründe:

1.) Sie ist natürlich sehr neugierig und saugt alles um sich herum auf wie ein Schwamm. Aufgrund ihrer Art der Orientierungslosigkeit bzgl. des Sehens entgeht ihr zwar vieles oder sie braucht z.B. sehr lange, bis sie einen Vogel auf dem Weg vor ihr finden und fokussieren kann, aber dann ist ihre Freude natürlich umso größer. Sie möchte auch so viel wie möglich anfassen und berühren – also im wahrsten Sinne des Wortes ihre Umwelt beGREIFEN …

2.) Ihr Zimmer liegt nach Süden und die Sommersonne knallt deshalb unerbittlich rein, sodass es in ihrem Zimmer sehr schnell recht warm wird – sie kann ja selbst nicht raus, den Sonnenschutz schließen oder sich gar im Bett anders hinlegen. Zudem ist es bei solchen Einrichtungen ja üblich, dass die Fenster aus sicherheitstechnischen Gründen nicht zu öffnen sind und somit kein Durchzug Erleichterung bringen könnte. Wer Stephanie genauer kennt, weiß ja wie sie zu sommerlicher Wärme bzw. Hitze steht – Urlaub am Strand niemals, dann schon eher Island oder eine andere, kalte Destination. Deshalb sehnt sie sich derzeit immer nach jedem Luftzug (einen Ventilator hat sie schon) und genießt sehr gerne den Wind da draußen – ob natürlich oder künstlich ist ihr wiederum gleich:

Unser Hauptaugenmerk bei den körperlichen Ãœbungen (die Aussprache üben wir natürlich immer wieder durch den nebenbei geführten verbalen Austausch) galt diese Woche den Fingern bzw. der Fingerfertigkeit. Beim Spielen oder unbewussten Agieren setzt sie trotz der Einschränkung durch die Spastik erfreulicherweise immer mehr die linke Hand ein, sodass eben nicht alles nur von „Rechti“ ausgeführt wird. Sie kann mittlerweile sogar mit beiden Händen (besser: Zeigefingern) ihre Brille auf der Nase wieder hochschieben – „Linki“ ist dabei zwar die Unbeholfenere, aber Anfang der Woche war das sogar noch ein ganz unmöglicher Bewegungsablauf. Derzeit arbeiten wir noch an einem eigenständigen Absetzen der Brille, da sie die Finger der rechten Hand schon sehr gut als „Pinzette“ einsetzen kann und nicht wie ein Baby alles mit der Faust greifen will:

Doch ob man es glaubt oder nicht, das Schwierigste dabei ist nicht das Greifen mit den Fingern und die entspre-chende Bewegung des Arms, sondern das Finden eines Punktes in ihrem Gesicht, den sie nicht sieht. Sie kann sich nicht ans Ohr fassen oder auf die Stirn tippen (einen Vogel zeigen), da sie das zu berührende Ziel einfach nicht mit den Augen fixieren kann – das Thema hatte ich ja schon einmal hier angesprochen. Also zerlegen wir derzeit komplexe Bewegungsabläufe, die für uns völlig easy erscheinen, immer wieder in Teilaufgaben, die es dann zuerst zu bewältigen gilt. Zum Beispiel das Drehen einer 1-Euro-Münze mit in Fingern (klappt!), mit dem Zeigefinger die Nase, die Stirn und die Schläfe erst bei ihrem Gegenüber (leider haben wir keinen großen Spiegel für sich selbst zur Hand) und dann bei sich berühren bzw. ertasten (klappt al einziges noch nicht), das Aufnehmen von Dingen vom Tisch mit nur zwei Fingern und das Drehen eines Flummis in selbigen …

… das Bewegen (Beugen, Strecken, Rotieren, Berühren) einzelner Finger, das sichere Halten und leichte Aus-balancieren von kleinen und großen Bällen auf der Handfläche, mit Griffsicherheit Gegenstände von A nach B bewegen oder auch einen Austausch von Gegenstand X in der rechten Hand und Gegenstand Y in der linken Hand, sodass sich am Ende beide Gegenstände jeweils in der anderen Hand befinden. Dazu kann sie entweder eine Ablage nutzen (sie muss dabei nur aufpassen, dass der Gegenstand nicht wegrollt oder herunterfällt) oder auch als Zwischenschritt beide Gegenstände kurz in eine Hand aufnehmen – nach ca. 20 Versuchen hatte sie den Dreh für Variante 2 raus.

Und mit diesen Teilschritten können wir dann in der Regel auch wieder zur Gesamtaufgabe zurückkehren und ihr Gefühl der Sicherheit und natürlich des Erfolges bei den kleinen Dingen mit in die Gesamtkomplexität einfließen lassen. Dabei entwickelt sie zum Teil auch schon dann unbewusst eigene Vereinfachungen und Verbesserungen. Also zurück zum Credo „Schrittchen für Schrittchen“ sowie dem Mantra „üben, üben, üben“    ðŸ˜‰

Als ich mal mit ihr ein Fotobuch angeschaut habe, erinnerte sie auch schon selbst an die notwendigen Bewegun-gen für das Umblättern – natürlich teilweise noch mit drei oder mehr Seiten gleichzeitig:

Die Texte bei solchen Büchern liest sie auch schon durch, doch je länger es dauert, desto schneller verliert sie die Lust – ihre derzeitige Aufmerksamkeitsspanne dürfte so ca. bei 20 bis 30 min liegen. Aber sie versucht es nach einer kleinen Pause immer wieder selbst und hat auch schon mal ganz überraschend nach einem mit Schriftgröße 16 auf DinA4 ausgedruckten Brief gefragt. Sie konnte sich also erstens an diesen Brief erinnern und zweitens muss ich sie keineswegs zum Lesen zwingen oder dazu überreden. Dieser Ehrgeiz ist jedenfalls Gold wert und hilft ihr sicherlich noch viel mehr, irgendwann einmal in ein eigenständiges Leben zurückzufinden.

Ãœber ihren gesamten Rumpf hat sie jedenfalls noch keinerlei Kontrolle, denn als sie einmal im Rollstuhl die Arme nach vorne gestreckt hat, fiel sie völlig in sich zusammen und kam mit dem Körper aus eigener Kraft nicht mehr hoch. Zum Glück ist sie im Rolli immer angeschnallt. Erst als sie die Arme wieder an den Körper zurückgeführt hat und einen kleinen Schubs von uns bekam, plumpste sie mit dem Körper zurück an die Rückenlehne. Baustelle Nr. 23.564 … Priorität mittel     🙂

Eines hat mich diese Woche aber noch sehr überrascht: sie trinkt mittlerweile Kaffee mit Milch zum Frühstück und es schmeckt ihr sogar!!! Als ich vor ca. zehn Wochen mit einem Becher Latte Macchiato von McDonalds vor ihr stand und sie fragte, ob sie probieren wölle, war Kaffee für sie noch eine Ausgeburt der Hölle … oder so ähnlich    ðŸ˜‰

Aus unserer Beobachtung hat sich Stephanies Schlucken beim Essen und Trinken schon enorm verbessert. Mal schauen, ob vor der Entlassung noch eine Wiederholung der Schluck-Endo-Untersuchung (zweiter Absatz) statt-finden kann. Ich würde unserer Kleinen doch so gern etwas Bissfesteres gönnen, denn derzeit ist ihr Mittagessen immer noch püriert …

Man sieht von Tag zu Tag eine kleine Neuentwicklung und selbst wenn diese für eine Einstufung nach Bla-Bla-Index nicht relevant sind, bedeuten diese für Stephanie und für uns ein kleines Stück ihrer zurückkehrenden Selbständig-keit. Und in Summe werden auch die kleinen Dinge irgendwann einmal groß, nicht wahr?

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