Sep
Diesmal hat meine Schreibabstinenz einen ziemlich bewegenden und sehr emotionalen Grund. Ein ganz schwieriges Thema … wie fĂ€ngt man am besten an ?
Zuerst eine Kurzform: Unsere Stephanie liegt seit dem 26. August im Krankenhaus CharitĂ© in Berlin und ist bis heute leider nicht in einen ansprechbaren bzw. kommunikativen Zustand zurĂŒckgekehrt. Es hat mit einem kĂŒnstlichen Koma angefangen und sie scheint jetzt hoffentlich in einer Art Wachkoma zu liegen … genaueres weiĂ man allerdings noch nicht.
Wir haben tagelang auf die erlösende Nachricht gewartet, aber aus einer Woche (danach wollte man die Aufwachphase einleiten) sind mittlerweile fast 4 Wochen geworden. Und um nun die besorgten, freundlichen, lieb und nett gemeinten Nachfragen von Freunden, Bekannten und Kollegen an uns, an unsere Familie und vor allem an ihren Freund etwas einzudĂ€mmen, möchten wir hier auf diesem Blog die Möglichkeit nutzen, ĂŒber ihren Zustand, ihre Entwicklung und vor allem ĂŒber ihre RĂŒckkehr ins tĂ€gliche Leben zu berichten … was allerdings mitunter noch Wochen und Monate dauern kann und vermutlich nicht nur aus Fortschritten bestehen wird. Also bitte bitte weniger direkt bei uns nachfragen und dafĂŒr öfter einfach mal hier reinschauen – die Situation ist fĂŒr uns und allen Beteiligten aus dem engerem Familienkreis momentan bereits schwer genug. Wir mĂŒssen jetzt unsere Zeit, Energie und Kraft weniger fĂŒr Nachfragen, sondern mehr fĂŒr das BewĂ€ltigen der Situation und vor allem fĂŒr unsere Kleine aufwenden. WĂ€re das OK fĂŒr euch ?
Dann will ich mal einen Versuch starten, die letzten 24 Tage hoffentlich verstÀndlich und nachvollziehbar zusammenzufassen:
Stephanie ist an besagtem Mittwochmorgen im August aufgrund einer Lungenembolie zusammengesackt und musste vor Ort sowie im Krankenwagen dreimal reanimiert werden. Vorangegangen ist wohl eine Thrombose im Bein (vielleicht durch die SportuntĂ€tigkeit aufgrund der CoronamaĂnahmen seit MĂ€rz?), wobei sich der Thrombus dann irgendwie gelöst hat (wir vermuten durch ihren Start eines Kurses im Fitnessstudio am vorherigen Montag) und durch das Herz bis in die Lunge gelangte, in der er sich dann letztendlich wieder festgesetzt hat. Dies fĂŒhrte am Dienstagabend zu Kreislaufproblemen und dann am nĂ€chsten Morgen, als sie eigentlich zum Hausarzt gebracht werden sollte, zu einem Kreislaufzusammenbruch mit Atemstillstand. Wir können wirklich von einem unglaublichen GlĂŒck sprechen, dass sie zu dieser Zeit ihren Freund Fabian an ihrer Seite hatte und er sehr schnell reagiert hat, indem er umgehend den Rettungsdienst anrief.
Bis zur Erstbehandlung durch den Notarzt erlitt sie ca. 10-15 Minuten lang eine Sauerstoffunterversorgung des Körpers, dabei litt insbesondere das Gehirn. Im Krankenhaus versetzte man sie deshalb sofort in ein kĂŒnstliches Koma und die Körpertemperatur wurde auf ca. 33 Grad reduziert, um ihr Gehirn vor weiteren SchĂ€den zu bewahren. Damit sollen heutzutage alle Körperfunktionen auf ein Minimum reduziert werden, um mittels Abregulierung des Energiehaushaltes gröĂere SchĂ€den am Gehirn zu minimieren – ich hoffe, ich drĂŒcke mich medizinisch auch korrekt aus. Bitte seht es mir nach, sollte ich irgendwie etwas falsch verstanden und somit hier wiedergegeben haben …
Jedenfalls steht es derzeit aufgrund der erlittenen Hypoxie schlecht um ihren Allgemeinzustand und man kann bis heute noch nicht genau feststellen, welche HirnschĂ€digung sie am Ende davontragen wird. Die bisher durchgefĂŒhrten Untersuchungen zeigen auf jeden Fall abgestorbene Hirnregionen (CT, MRT), aber andere Tests machen auch Hoffnung, dass sie wieder zu Bewusstsein kommen wird und halbwegs gesund werden und hoffentlich auch ein eigenstĂ€ndiges Leben in absehbarer Zukunft fĂŒhren kann. Sie reagiert in den letzten Tagen, nachdem die Sedativa (die wie eine Narkose wirken) abgesetzt wurden, auf GerĂ€usche sowie ihren Namen und schlĂ€gt dabei die Augen auf … sie fokussiert aber nichts, ihr Blick wandert lediglich umher. Mechanische Reize am Körper kommen definitiv in der Hirnrinde an und auch spezielle Blutwerte (sogenannte NSE-Werte bzw. Marker) zeigen immer noch genĂŒgend KapazitĂ€ten, die irreparable SchĂ€den in Hirnregionen mal kompensieren könnten. Unklar ist derzeit allerdings, welche Steuerungszentren letztendlich genau betroffen sein könnten: Sprache, Bewegung, Erinnerung, Intelligenz oder ein Mix aus allem. Dies wird erst eine mehrwöchige bzw. mehrmonatige Reha zeigen mĂŒssen.
Hierzu habe ich jetzt, als die von einem Amtsgericht bestimmte BevollmĂ€chtigte (mit 24 ist sie eben nicht mehr automatisch unter der Vormundschaft der Eltern), nach langer Ăberlegung und vielen GesprĂ€chen mit Carsten letztendlich fĂŒr eine Verlegung in eine Rehaklinik in der NĂ€he von Hamburg entschieden. Leider auch immer mit dem Wissen, dass wir sie dadurch vom Freund (Berlin), von der Familie des Vaters (MeiĂen / Berlin) und von den vielen Freunden in Potsdam und Berlin entfernen – es tut uns wirklich sehr sehr leid und die Entscheidung ist uns definitiv nicht leicht gefallen. Aber die 2-3 Stunden Fahrt in eine Richtung von uns nach Berlin bzw. Brandenburg sind an einem Tag hin und zurĂŒck einfach nicht zu schaffen und andererseits sind wir als Bezugspersonen, die mit ihr lange Zeit unter einem Dach gelebt haben, vermutlich derzeit diejenigen, die ihr trotz unseres Arbeitsleben ĂŒber einen langen Zeitraum eine Rundumbetreuung auch nach stationĂ€rer Reha vor Ort ermöglichen könnten. Das ist wenigstens der Gedanke fĂŒr die nĂ€chsten Monate, denn wir stehen der Sache natĂŒrlich auch immer positiv gegenĂŒber und glauben ganz fest daran, dass sie eines Tages wieder ein eigenstĂ€ndiges Leben fĂŒhren kann. Dann soll sie auch selbst entscheiden, ob sie wieder zurĂŒck in ihre Berliner Umgebung möchte. Aber das ist leider alles noch offen und Wunschdenken …
Also lasst uns jetzt alle das Beste fĂŒr sie hoffen, informiert euch bitte lieber hier im Blog ĂŒber ihren Gesundheitszustand und ihre Fortschritte statt per Email, Posting oder Anruf bei Angehörigen nachzufragen und bringt vor allem viel Geduld auf. Denn wie wir jetzt die letzten Wochen lernen mussten, geht es derzeit nur sehr sehr langsam voran. Selbst die Reha wird wohl in mĂŒhevoller und zeitaufwĂ€ndiger Kleinarbeit erst nach und nach AufklĂ€rung sowie Besserung bringen. Ărzte und unsere Freunde mit medizinischen Wissen stimmen uns auf eine sehr lange Behandlungszeit ein, da ist nie die Rede von Tagen, sondern vielmehr von Monaten. Die Neuigkeiten von Stephanies Entwicklung gebe ich dann nur zu gerne so schnell wie möglich an euch ĂŒber diesen Blog weiter, versprochen.
DrĂŒckt uns allen und vor allem ihr ganz fest die Daumen und glaubt bitte immer ganz doll an sie – das Wort „konventionell“ kam in Stephanies Sprachgebrauch doch noch nie so richtig vor, oder ? Möge ihr Dickkopf und ihre Beharrlichkeit am Ende ihr eine gelungene RĂŒckkehr in die NormalitĂ€t ermöglichen.
Derzeit ist ein Besuch bei ihr auf der Intensivstation nur von einem kleinen Personenkreis (Uwe, Fabian und wir wechseln uns dabei ab) und auch nur fĂŒr kurze Zeit am Tag möglich, aber wenn sie dann spĂ€ter in der Reha wieder allgemeine Besuche empfangen kann, seid ihr alle recht herzlich willkommen. Wir können dann sicherlich auch den einen oder anderen bei uns in Wentorf beherbergen …
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